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die sehnsucht des capitano clemente (24)

die wellen schlugen gegen die bordwände wie blei. miranda stemmte sich mit aller kraft ins steuerrad, doch immer wieder musste sie das rad seinem lauf überlassen. das schiff drehte sich hilflos, mal in ein tal zur rechten stürzend, dann wieder von einer überstarken welle zur linken emporgerissen. heinz rutschte, sich an die reling klammernd, über das brückendeck zu miranda und stemmte sich mit ins rad.

"die segel!", brüllte miranda, "die segel müssen runter! was macht ihr!"

"wir sind dabei!", brüllte heinz zurück, "der capitano klettert selbst durch die wanten!"

"er ist verrückt!"

ein blitzschlag zeriss die dunkelheit, das schiff schien sich jetzt im zentrum des sturms zu befinden. miranda schrie auf.

"yippino! yippino sitzt im mastkorb!"

"verdammt! was tut er da!"

eine grosse woge peitschte über das deck.

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die sehnsucht des capitano clemente (23)

"es wird sturm geben."

capitano clemente blickte zum horizont, an dem sich graue wolken zu dunklen knäueln ballten. die luft war schwül geworden. tiefe wellentäler öffneten sich, wo eben noch eine freundlich blaue ebene gewesen war.

"maat hein, wie weit, glaubst du, ist die gewitterfront von uns entfernt?"

"nicht weit genug, capitano. wir können versuchen, beizudrehen. aber der wind steht schlecht."

"und es wird bald dunkel. ein sturm bei tag ist eine sache, aber bei nacht..."

der capitano fasste sich. "macht das schiff sturmfest. alle, die keine aufgaben an deck zu erfüllen haben, sollen sich in ihre kabinen begeben, wenn es so weit ist."

der wind zerrte an den wanten.

maat hein rannte los.

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die sehnsucht des capitano clemente (22)

"meint ihr, wir kommen jemals wieder nach hause?"

es war abend geworden, es gab nichts mehr zu tun. maat hein war es schwer ums herz.

"wenigstens wissen wir, wo wir hin müssen. das ist doch schon mal was." heinz leerte einen eimer mit kartoffelschalen über die reling.

"nach wundubar! das ist unser ziel!" zinedinho zidanho nickte, "eine gute sache!"

"ist mir egal!" rutschte es maat hein heraus, "was geht mich das an! klar, sandoch'khans geschichte ist furchtbar. aber warum muss ich da mit! was soll das alles überhaupt!"

"wir hauen da drauf, das wird schon!" zinedinho zidanho war unerschütterlich.

heinz aber begriff. maat hein hatte den blues. den grossen welt-blues. den ganz grossen wo-ist-jetzt-endlich-mein-hafen-blues, wie er auch die besten aller seemänner überkommen kann.

"ich will wieder nach hause!" maat hein verschränkte die arme und kauerte sich noch enger an die schiffswand.

wenn ich jetzt die diskussion aufwerfe, wer zu hause wirklich auf ihn wartet, bricht er mit vollends ein, dachte heinz.

"pass auf, maat hein. wir singen ein lied für dich. wir haben alle sehnsucht. ...1, 2, 3, 4!"

er zählte an und alle fielen ein.

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die sehnsucht des capitano clemente (21)

"ich lief voraus ins dorf. da kamen aus der hütte des ältesten plötzlich männer. sie fingen mich ein und warfen mir einen sack über den kopf!"

der capitano fühlte wieder diesen zorn aufsteigen, eigentlich wollte er diesen zorn nie wieder spüren.

"jemand schlug mich, und danach kann ich mich an nichts mehr erinnern. als ich wieder zu mir kam, waren wir schon auf hoher see."

"man hat dich entführt!" riefen till und tull.

"als ich wieder wach war, brachten sie mich vor eine gruppe von männern. einer hatte den mund voll gold und wurde capitano ochsenfrosch genannt. er bestimmte alles."

capitano clemente nickte, "capitano ochsenfrosch. ehrgeizig und brutal wie kein zweiter."

"neben ihm stand noch ein mann, der wichtig war. sie nannten ihn den messerwerfer. vor ihm hatten auch die matrosen angst, obwohl er nie ein wort sagte."

"das ist sein gehilfe, sein assistent, sein noch schwärzerer schatten."

"capitano ochsenfrosch befragte mich und machte gemeine witze. ...mit uns wilden würde es nicht mehr lange so weitergehen. ...er nannte uns wilde! ich habe so wenig wie möglich gesagt, aber ich konnte mitkriegen, dass sie planen, wundubar zu überfallen. sie machten gar kein hehl daraus!"

wieder kamen sandoch'khan die tränen. palamède plumeau legte ihm beruhigend die hand auf die schulter. "noch haben sie es nicht getan. noch ist wundubar frei."

"bei uns bist du sicher!" zinedinho zidanho ballte die faust.

"nach einer langen reise kamen wir dann nach genua. sie wollten mich zum könig bringen. ich sollte der beweis sein, dass es wundubar wirklich gibt. ausserdem sollte ich sagen, dass wir auf wundubar ganz viel gold haben."

"wundubar ist eine reiche insel", nickte palamède plumeau, "gold gibt es auch, aber nicht so viel, dass sich ein überfall lohnen würde."

"sonst wäre das schon längst passiert", fügte der capitano trocken hinzu.

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die sehnsucht des capitano clemente (20)

"maat hein, miranda, matrosen!"

capitano clemente räusperte sich, er hatte die gesamte mannschaft zusammen gerufen.

"sandoch'khan ist in der tat kein gewöhnlicher blinder passagier. ich bitte euch, seine geschichte zu hören."

"na, hoffentlich hat er was spannendes zu erzählen!" muffte maat hein.

"sei still!" palamède plumeau warf maat hein einen strengen blick zu.

"rede, mein junge", er schob sandoch'khan in die mitte, "deine geschichte ist wichtig und verdient, von allen gehört zu werden."

sandoch'khan wischte sich mit einem ärmel die tränen ab.

"ich komme von der insel wundubar. unsere insel ist die schönste insel der welt!"

"wundubar! es gibt sie wirklich?" till und tull waren verblüfft.

"ich dachte, das wäre nur ein lied", sagte heinz.

"ein märchen!" sagte zinedinho zidanho.

"eine idee", sagte miranda.

"wundubar ist wirklichkeit", bestätigte palamède plumeau. "auf den ersten blick ist es eine ganz gewöhnliche insel mit sand und strand und bergen und bewohnern. auf den zweiten blick ist es aber, wie ihr es nennt", er lächelte in die runde, "ein lied, ein märchen und auch eine idee. die menschen leben dort besonders schön und gerecht miteinander. freiheit ist ihr höchstes gut."

sandoch'khan nickte stolz.

"eines tages sind wir wieder zum markt nach shubar gefahren. die einwohner shubars sind unsere freunde, wir tauschen und handeln miteinander. als wir anlandeten, war es ganz merkwürdig still. normalerweise begrüssen sie uns mit musik, und alle kommen zum hafen. an dem tag war aber niemand zu sehen! wir liefen ins dorf um nachzuschauen, was das zu bedeuten hätte. kein menschlicher laut, nur das schreien der wilden vögel. wir riefen nach unseren freunden, aber niemand antwortete uns."

"wie unheimlich!" heinz schauderte.

"was passierte dann? erzähl weiter", sagte miranda.

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die sehnsucht des capitano clemente (19)

"ich bin sandoch'khan! ich muss nach wundubar!"

"das hast du uns bereits gesagt", der capitano rieb sich die stirn. auch nach längerem befragen war aus dem fremden nicht viel herauszukriegen. jung sah er aus und abgerissen. eigentlich zu jung, um sich ganz allein über das weite meer zu treiben.

"woher weisst du überhaupt, dass wir in richtung wundubar fahren?"

"hafengerede. ich habe es aufgeschnappt."

"und dann bist du einfach an bord geschlichen und hast dir gedacht, das wird schon keiner merken?"

"ich muss nach wundubar! das ist meine einzige chance!"

"aber warum musst du nach wundubar? ich muss dich für einen spion halten, wenn du mir nicht sagst, warum!"

"ich bin kein spion! ich bin sandoch'khan!"

wir drehen uns im kreis, dachte der capitano.

"wenn du mir nicht sagst, warum du nach wundubar willst, so muss ich dich in eisen legen lassen."

"sir", palamède plumeau hatte das verhör bisher schweigend beobachtet, "ich glaube, wir haben es hier mit einem bewohner wundubars zu tun. der akzent, er ist typisch für die insel. ich habe ihn nur einmal in meinem leben gehört, aber ich erkenne ihn wieder."

er zog seinen stuhl näher an den jungen mann heran und sprach mit sanfter stimme:

"du kommst von der insel, nicht? der schönbewaldeten freien insel. wo die blumen so bunt und zahlreich und verschieden, wo die menschen so friedlich leben."

sandoch'khan fing an zu weinen.

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die sehnsucht des capitano clemente (18)

"kielholen!"

"ich zieh dir das fell über die ohren!"

"über bord mit ihm!"

was ist jetzt wieder los, dachte capitano clemente, von einem fürchterlichen lärm aus dem mittagsschlaf gerissen. heftiges hämmern gegen die kabinentür.

er öffnete. vor der kabinentür stand eine atemlose miranda mit schiefem kopftuch. was für schöne haare sie hat, dachte der capitano noch, bevor ihn der sog der ereignisse erfasste.

"capitano, kommt schnell!" miranda zog ihn am ärmel, "maat hein hat einen blinden passagier entdeckt!"

im hintergrund schleifte zinedinho zidanho eine wild strampelnde gestalt über das deck.

"ÜBER BORD MIT IHM!"

der capitano stoppte zinedinho zidanho im lauf.

"hier wird niemand über bord geworfen! hört auf!"

"sir, ich war hinten im lagerdeck, da hab ich ihn gefunden", maat hein war sehr aufgebracht. "ich dachte erst, es wäre einer von uns, aber da schoss er zwischen den säcken raus und hat mich in die hand gebissen!"

zum beweis zeigte maat hein seine hand vor, auf der sich tatsächlich bissspuren abzeichneten.

capitano clemente musterte den blinden passagier, der fest in zinedinho zidanhos armen klemmte. er trug ballonhosen, eine schmutzige bluse und war von schmächtiger gestalt.

"lasst mich los! lasst mich sofort los!" der blinde passagier zappelte, und seine augen sprühten funken.

"ich bin sandoch'khan und ich will nach wundubar! ich muss nach wundubar! ich bin kein gewöhnlicher blinder passagier!!"

"er sagt, er ist kein gewöhnlicher blinder passagier!" echoten till und tull, "soso, er ist dann wohl ein ungewöhnlicher blinder passagier!"

"ein adliger blinder passagier, kein gewöhnlicher! ...leute, merkt euch das!" maat hein grinste. "auch ungewöhnliche blinde passagiere können wir über bord werfen!"

"platsch!" sagte zinedinho zidanho.

"bindet ihm die hände, er wird nicht über bord geworfen", sagte der capitano.

palamède plumeau überlegte. dieses gesicht, die stimme, oder besser, dieser akzent des unbekannten. er hatte diesen akzent schon einmal gehört.

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capitano clemente: anhang dr. pfeffer

dr. pfeffer verlor seine eltern früh. als kleines papageienküken auf borneo geriet er in die netze von vogelfängern, die ihn an seeleute verkauften.

unter seinen besitzern und besitzerinnen befanden sich ein schiffskoch, eine gemüsefrau (die geliebte des schiffskoch, die nach beendigung der affaire den vogel nicht mehr zurückgab), ein diener bei hofe (der sohn der gemüsehändlerin, der dr. pfeffer erbte, dessen vater aber nicht der schiffskoch war), eine erzieherin bei hofe (die eine universelle pädagogische theorie entwickelt hatte und diese an dr. pfeffer demonstrieren wollte), eine prinzessin (die beim anblick dr. pfeffers in der studierstube ihrer erzieherin laut rief: ich will auch so einen vogel haben!), ein brigant (der die prinzessin zehn jahre später auf ihrer reise zu ihrem künftigen gemahl entführte und gegen lösegeld nur die prinzessin zurückgab, nicht aber den vogel), ein weiterer brigant (der den ersten briganten wegen des lösegelds erschlug) und die grossmutter des briganten (die manchmal über einsamkeit klagte, die dann aber den vogel wieder zurückgab, weil er ihr zu viel arbeit machte). letztgenannter brigant wusste auch nicht mehr, wohin mit dem tier und stellte den käfig eines nachts einfach auf den stufen einer spelunke ab.

dort fand der capitano den vogel, beziehungsweise dr. pfeffer fand den capitano, machte er doch durch leises pfeifen der melodie von rolling home auf sich aufmerksam. dem capitano gefiel der papagei sofort, und seitdem begleitet dr. pfeffer capitano clemente durchs leben.

dr. pfeffers einzige sorge ist, eines tages von einem schlechten menschen gerupft zu werden.

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die sehnsucht des capitano clemente (17)

die segel knarrten.

wir kommen gut voran, dachte capitano clemente. eigentlich wäre es jetzt an der zeit, der mannschaft gegenüber zu treten und den sinn der reise zu erläutern.

alles schien so friedlich. miranda steuerte, palamède plumeau unterrichtete yippino in lesen und schreiben. die matrosen hielten das schiff flott und spielten ein englisches ballspiel, bei dem zinedinho zidanho ein aussergewöhnliches geschick zeigte.

"TREFFER! VERSENKT!"

dr. pfeffer legte den kopf schief und beäugte den capitano.

"ich weiss, dr. pfeffer, ich weiss", der capitano lief zu dem papagei und kraulte ihn hinter seinen nicht vorhandenen ohren. "nur: alles ist in ordnung, warum kann es nicht für immer so bleiben?"

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