FACKELN IM STRUM (8)
"heloise, du siehst irgendwie komisch aus", sagte veronique zu mir, und wieder spürte ich die tränen aufsteigen, eigentlich wollte ich mich scharfzüngig wehren, doch veronique, so ekelhaft sie sein konnte, hatte auch ihre guten seiten und war sie nicht doch meine beste freundin und meine einzige vertraute? wer war mir denn noch geblieben auf dem weiten erdenrund?
"veronique, bitte, ich....", meine gefühle überwältigten mich, "ich meine, vielleicht ist es ja nur die jahreszeit, ich weiss auch nicht, was mit mir los ist, aber ......huhuhuhuhubuhu!" ich konnte meine tränen nicht mehr zurückhalten, und veronique schloss mich in ihre arme. "so, wie du dich in letzter zeit auch zusammen gerissen hast. wein dich aus, und irgendwie wird das doch wieder." "huhuhuuuuubuhuu.....das sagst du doch bloss, um mich zu trösten. huhuhu, das wird gar nichts mehr, gar nichts wird das!" "nun mal halblang", sagte veronique und drückte mich, "wie heisst das motto der drottendingdongholmer: dem schicksal ins antlitz wie napoleon bei wandlitz!" "es war austerlitz, nicht wandlitz", schluchzte ich, aber fasste mich ein wenig. "charles hat mir geschrieben, er kommt wieder nach hause, und er liebt mich, und wir dürfen uns doch nicht lieben! ...und jemand hat mir einen zettel in die tasche gesteckt, dass auf drottendingdongholm schlimme dinge passieren! veronique, wir müssen zurück! wir müssen nachsehen, was da los ist!" "dann gehen wir eben zurück. übrigens hat dir märtha den zettel in die tasche gesteckt, es ist eine nachricht von morten, irgendwas stimmt da bei denen nicht." "huhuhu, veronique, es stimmt überhaupt sowieso gar nichts mehr! mit uns drottendingdongholmern stimmt nichts mehr! an dich und märtha kann ich mich ja irgendwie gewöhnen, aber charles und ich, wir dürfen nie zusammen kommen, nie, nie. ...nie!" "hm", machte veronique, "heloise, wenn du mir und märtha das leben nicht so zur hölle gemacht hättest mit deinem moralischen getue, dann hätte ich schon längst.....aber lassen wir das. sag einmal, du hast noch nie darüber nachgedacht, ich meine, es kam dir noch in den sinn, dass charles vielleicht, ich meine, dass er vielleicht gar nicht dein bruder ist? die ähnlichkeit mit märtha....?" mir schwanden die sinne.
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FACKELN IM STRUM (7)
"....zweiundsiebzig, dreiundsiebzig, vierundsiebzig", zählte die amme, "MORTEN! es müssen fünfundsiebzig sein! fünfundsiebzig fischbestecke! ich komme jetzt nach zweimaligem zählen nur auf vierundsiebzig! bestimmt hat deine undankbare tochter märtha das besteck mitgehen lassen!"
der alte morten zuckte mit den schultern.
"märtha war es, und bevor sie in die dienste der überaus ehrwürdigen (hab ich sie nicht selber an meiner eigenen brust gesäugt) heloise wechselte, hat sie sich noch die taschen vollgestopft. können ja immer mal schlechtere zeiten kommen!"
morten zuckte wieder mit den schultern.
"ich hab das alles gesehen, diese "heimlichen" treffen im park: märtha und veronique. was für ein wunderbares paar! du hast dir ja wohl nicht jemals eingebildet, deine tochter könne so ihren weg nach oben machen?"
morten wurde so langsam alles egal. die amme war nicht die einzige, die drottendingdongholms geheimnisse kannte.
"und heloise und charles! wie sie die ganze zeit umeinander rumgetanzt sind und nicht konnten, wie sie wollten. haha, war das nicht köstlich?"
"nein", sagte morten, "es war nicht köstlich. und ich verdamme mich dafür, dass ich geschwiegen habe. du bist, bei gott, nicht die einzige, die weiss, was in der nacht geschah als meine marie-britt mit zwillingen niederkam und dabei starb, und wie da die kinder ausgetauscht wurden, weil die gräfin sich so sehr kinder wünschte, doch der graf..."
"morten, du wirst doch nicht etwa dein schweigen brechen? du weisst, dass wir dann alle auffliegen?"
"es ist mir egal", sagte morten, "von mir aus fliege ich auf. mir tut die schulter weh vom vielen zucken."
"dann hau ab, sieben generationen dienstbotentum in den knochen und nix dahinter!" rief die amme, riss eine standarte von der wand, setzte sie an einem kandelaber in brand und scheuchte den immernoch hilflos mit den schultern zuckenden morten zur tür hinaus.
"dann zieh ich das eben alleine durch!"
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FACKELN IM STRUM (6)
"ich habs gleich, ich habs gleich", rief charles, aber mbutu war dieses mal nicht gewillt zu warten. "wir müssen reden, charles. leg die schraubenschlüssel beiseite. das hat doch keinen sinn."
"aber die maschine muss noch optimiert werden, sonst haben wir morgen keine einnahmen. denk dir die gesichter der kinder, wenn sie auf den rummel kommen, und im kongo läuft nichts!" "die maschine funktioniert sehr gut. ausserdem haben die kinder weihnachten im kopf. rummel ist jetzt zweitrangig." "mbutu, du bist so ernst heute", sagte charles und liess den schraubenschlüssel sinken. "charles, im kongo haben wir ein sprichwort: bevor du die maschine in der hütte deines nachbarn reparierst, repariere erst mal die maschine in deiner eigenen hütte. denn wer seine eigene maschine wohlgeölt am laufen erhält, wird sich eines langen lebens erfreuen und niemals nervige nachbarn zu besuch kriegen, die unbedingt seine maschine reparieren wollen." charles stutzte. was wollte mbutu ihm da sagen? später, als sich die nacht über den kongo senkte, setzte sich charles hin und schrieb eine postkarte:
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FACKELN IM STRUM (5)
"wenn sie ihren mund wie eine tüllrüsche zusammenkräuselt, als wäre der kaffee zu bitter, obwohl sie gar keinen kaffee trinkt, dann weiss man doch gleich, der tag ist gelaufen", dachte veronique und schnippste missmutig ein paar brötchenkrümel über den frühstückstisch in heloises richtung. "wenn ich jetzt noch ohne die hand vor den mund zu halten gähne, den eierlöffel auf den boden fallen lasse oder einen finger in den marmeladentopf stecke, rastet sie aus."
"veronique, bitte, hör doch auf mit der kippelei", sagte ich "und knüddel doch deine serviette nicht so, wie sieht das denn aus."
"ok, sie will es so", dachte veronique, "also die marmeladen-variante", und griff nach dem topf.
ich spürte eine grosse müdigkeit in mir aufsteigen."veronique, sag mir, ihr trefft euch wieder, nicht? das ward ihr doch letzte nacht im garten?"
veronique schluckte. dies war ein moment der wahrheit. und momente der wahrheit muss man nutzen, auch wenn sie an frühstückstischen stattfinden.
"ja. das waren wir. und glaub mir, mit dämlicher jugend-libertinage hat es nichts zu tun!"
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FACKELN IM STRUM (4)
"HAHAHA!", lachte die amme, "morten! bring mir mehr wein aus dem keller, und nur vom besten! und leg mehr scheite auf, mir ist kalt! ....die kamine von schloss drottendingdongholm sind zwar die prächtigsten weit und breit, doch gekehrt wurden sie schon lange nicht mehr!"
während der alte morten sich beeilte, die wünsche der amme zu erfüllen (herzjesus, wie schmerzten ihn seine knochen, wenn sie ihn die treppen auf- und abwärts jagte, vom obersten turmzimmer bis in die tiefsten verliese), lachte die amme laut (und kehlig) und dachte bei sich: "und nicht nur die kamine liegen im argen. aber da werd ich bald abhilfe schaffen. denn nun, wo die undankbare brut vertrieben, hab ich sie nicht alle an meiner eignen brust gesäugt, denn nun, da ich das regiment führe, da werden hier andere saiten aufgezogen. und auch die pferdeweiden bei der ulme kommen unter den hammer!"
der alte morten war verzweifelt. ob seine nachricht heloise erreicht hatte?
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FACKELN IM STRUM (3)
das knirschen des kieses in der auffahrt kündigte von der ankunft der gäste. ich hatte mich wieder gefasst. märtha hatte mir die haare aufgesteckt, und zugegeben, ich hatte sie scharf dabei beobachtet. bedeuteten die bewegungen, mit der sie mir die locken richtete, mehr als von geschäftiger sachlichkeit, verweilten ihre hände nicht länger als nötig an meinem hals?
ich wischte die gedanken fort, um mich auf meine pflichten zu konzentrieren. charles, wie oft hatte er mich verlacht, weil ich all diese dinge zu ernst nahm. aber ich, ich wollte diesen abend geniessen, lichterglanz und gäste, den geist von schloss drottendingdongholm wieder auferstehen lassen. veronique sah an diesem abend hinreissend aus, zwar wich sie meinen blicken aus, doch ich konnte sie in den vielen spiegeln beobachten. wie angeregt sie plauderte, wie sie scherzte und mit ihrer perlenkette spielte. meine veronique! ...ach, meine, was denke ich, aber hatte uns nicht dieselbe amme gesäugt?
und es war ein gelungener abend. als die letzten gäste gingen, und ich märtha die anweisungen für den nächsten tag erteilt hatte, zog auch ich mich zurück. beim auskleiden, als ich noch einmal in die taschen griff, fand ich einen kleinen, zusammengeknüllten zettel.
eine geheime botschaft! wer hatte sie mir zugesteckt?
ich faltete den zettel auseinander und las:
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FACKELN IM STRUM (2)
würde er sich jemals an das leben im kongo gewöhnen können? charles bezweifelte dies. damals erschien ihm die flucht die einzige möglichkeit. ausbrechen aus der enge, veroniques intrigenspiel und heloises verstocktes festhalten an den traditionen hatten ihm die luft genommen. und doch fragte sich charles, wie das alles nur passieren konnte. hatte sie nicht einst dieselbe amme gesäugt? und waren sie nicht alle glücklich gewesen? gemeinsam auf schloss drottendingdongholm.
er wischte sich den schweiss von der stirn und beugte sich wieder über die schwere maschine, "wäre doch gelacht, wenn ich dich nicht zum laufen kriege". hier im kongo fühlte er sich nützlich, als ein teil der zivilisation, ein sinnvolles rädchen im grossen getriebe der welt. und von weit her kamen die menschen, um sich an seinem werk zu erfreuen.
doch all die exotischen vergnügungen des kongos konnten den verlust nicht aufwiegen. "schaue ich nicht auch hier nur in die immergleichen gesichter", fragte sich charles, "dieselbe geworfenheit der menschen, ja, ein immergleiches auf- und ab."
die maschine schnurrte leise.
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FACKELN IM STRUM (1)
"aber charles ist wegen dir in den kongo gegangen!" schleuderte veronique mir entgegen. wie konnte sie es wagen, veronique, von der ich immer nur das beste dachte, veronique, meine freundin, meine seelenverwandte, einst teilten wir dieselbe amme!
charles! charles auch nur zu erwähnen. charles...., dieses kapitel aus dem buch meines lebens, das ich schon längst abgeschlossen wähnte (wie war es mühsam gewesen, mir eine neue existenz jenseits von schloss drottendingdongholm aufzubauen, gott, ich hatte allem, was mir lieb war, den rücken gekehrt), aber nun von charles hören, aus ihrem munde, aus veroniques munde! was konnte sie schon wissen? was bildete sie sich ein, mir, dies, nun! charles!
ich verliess das zimmer, mühsam meine gedanken ordnend, und wies märtha an, im esszimmer einzuheizen. noch blieben mir ein, zwei stunden, bis die gäste kämen. charles! nach all den jahren.
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Last modified: 30.05.18, 23:40
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