andersneu
Montag, 13. November 2006
die sehnsucht des capitano clemente (11)

"ich bin nummer neun!"

wie von unsichtbaren fäden gezogen, wandten sich alle köpfe um. der matrose, der sich "nummer neun" nannte, schob sich in die mitte der gruppe. er trug einen groben tuchrock, eine geblümte schürze darüber, geknöpfte stiefel und sah, tja, man muss es wohl aussprechen, ganz und gar wie miranda aus.

"miranda!"

"capitano, ich will mit!"

"miranda!"

"capitano, ihr könnte mich nicht zurück lassen!"

"miranda!", rief der capitano zum dritten mal entsetzt.

"capitano, was bildet ihr euch eigentlich ein! ich putze und koche und stopfe jahrelang für euch und halte euch die leute vom leib. ich setze mich jeden sonntagabend und alle weihnachten und langweiligen sylvester zu euch, wenn die einsamkeit über euch zusammenschlägt. und jetzt, wo es mal um etwas wirklich wichtiges geht, da wollt ihr mich einfach zurücklassen. pfui, capitano!"

"miranda, ich..." der capitano errötete.

"guck mal, ne frau", sagte zinedinho zidanho.

"ist doch gar nicht schlecht, dann macht wenigstens einer die doofe stopfarbeit. ...und kocht." maat hein nickte.

"bist du bescheuert?", giftete heinz maat hein an, "sie hat doch schon jahrelang gekocht und gestopft. jetzt will sie endlich mal raus! ...aber du kannst das natürlich überhaupt nicht verstehen!"

"haha!", maat hein spuckte einen klumpen priem in richtung heinz, "aber du kannst das natürlich super verstehen. ein richtiger frauenversteher bist du! ein frauenversteher!"

heinz schwoll der kamm, aber ehe es zu einer tätlichkeit kommen konnte, die wohl zu ungunsten beider streitparteien ausgegangen wäre, warf miranda ein:

"ich bin ein guter steuermann. stopfen könnt ihr selber."

der capitano aber, der, wie es sich für einen richtigen capitano gehört, während des streites, ganz im vertrauen darauf, dass sich bestimmte dinge auch ohne sein zutun regeln würden, seinen blick auf den horizont gerichtet hatte, rief plötzlich:

"leinen los! die sonne geht auf! wir haben keine zeit mehr!"

und sie sprangen alle. währemd sie die taue rollten und auswarfen, geschickter als spinnen durch die wanten kletterten, knoten knüpften und wieder lösten, den wind prüften (wieder und wieder den wind prüften), die grossen segel ausrollten, die kleinen segel geschickt ausrichteten, während einer dem anderen in die hand arbeitete, sangen sie das alte, berühmte lied, das sie immer sangen, wenn es in eine neue richtung losging. wenn der wind wie beim allerersten mal in die nase schoss:

zu neuen ufern, wir entern die wanten,
schon läuft unser schiff aus dem hafen.
wir setzen die segel und ziehn unerkannt
während an land alle schlafen.
wir wecken die wellen und atmen die nacht,
und über uns leuchten die sterne.
die segel stehn voll und es geht ohne fracht
auf den flügeln der zeit in die ferne.

leinen los und heiß die segel!
fahr mit uns auf unsern wegen!

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Last modified: 30.05.18, 23:40
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