andersneu
Sonntag, 17. April 2005
die sehnsucht des capitano clemente (7)



miranda und yippino starrten den fremden gleichermassen verbüfft an, besuch bekam der capitano so gut wie nie. yippino fielen sofort die ausgeprägten augenbrauen des mannes auf, bestimmt konnte er sie wie raupen zusammen ziehen, wenn er böse war. ausserdem hatte er eine lange pferdenase, die ihm etwas trauriges und feines zugleich gab. wie bleich er ist, dachte miranda bei sich und stuppste yippino an, den capitano zu holen.

"the home of capitano clemente, i presume?" der fremde nahm seinen dreispitz ab und lächelte überraschend freundlich.

miranda nickte dem mann zögerlich zu, wenigstens war er höflich.

"sire, sie verlangten nach mir?" auch der capitano, der in die küche trat, schien irritiert.

"sah ich euch nicht heute morgen in den bureaus des hafenamts?"

"ganz richtig, ganz richtig", erwiderte der fremde. "der zufall, obwohl, vielleicht würde ich es nicht zufall nennen wollen, wenn ihr mich genau fragtet, aber: der zufall wollte es so."

"sire, nennt mir euren namen, mit wem habe ich es in eurer gestalt zu tun?" die irritation des capitanos steigerte sich.

"ihr habt recht, ich bin furchtbar unhöflich. ein gentleman von gutem namen bin ich, so sicher, wie auch ihr, capitano, ein gentleman von guten namen seid. doch kann ich euch meinen namen nicht nennen, denn das verbieten die umstände. umstände, die ihr sofort verstehen würdet, wenn ich sie euch erklärte, doch machen sie gerade eine erklärung unmöglich, diese umstände. ich will nur so viel sagen......ich komme geradewegs aus amsterdam!"

jetzt strahlte der fremde den capitano an, so, als müsste dieser endlich erkennen, mit wem er es zu tun hätte und ihn begeistert in die arme schliessen. doch dem capitano, der sonst mit einem recht ordentlichen gesichter- und namensgedächtnis ausgestattet war, wollte nicht einfallen, wer das nun wieder war.

"lieber capitano", der fremde gab sich sehr verbindlich, "...wisst ihr was, nennt mich giovanni. ja, giovanni, das wäre schön."

der capitano überlegte. ...giovanni? eindeutig war dieser mann ein engländer. und er kam aus amsterdam. wo er aber eigentlich auch nicht hingehörte. egal, er hatte nie etwas gegen verrückte gehabt, und dieser mann war eindeutig ein bisschen verrückt. aber falls er sich als unangenehm erweisen sollte, könnte er ihn immer noch mit links aus seiner küche herausbugsieren, besonders stark sah er nicht gerade aus.

"sire, langer rede kurzer sinn: was führt euch zu uns?"

"mein herr, es geht um etwas, was ich, fast wie die alten griechen, nur wiederum ganz anders, im modernen sinne, ihr versteht mich, mit demokratie beschreiben möchte."

"ach ja, demokratie", der capitano schluckte bei diesem wort, "vergesst es, sire, ich möchte euch nicht zu nahe treten, aber nichts kommt dabei raus, eine schöne idee, aber etwas für träumer, für übergebildete, für vom leben verprellte."

"erstens, unterschätzt nicht die macht und wirkung der ideen, capitano, und zweitens, habt ihr sie nicht selber einst verfolgt, die idee der demokratie? ich bitte euch, schmälert eure grösse nicht!"

der capitano errötete.

"...aber wenn euch der begriff demokratie nicht passt, dann können wir uns gerne auf den begriff freiheit einigen". giovanni räusperte sich und machte nun ein ernsteres gesicht, "freiheit finden immer alle gut, dehnbar wie ein strumpf, diese freiheit! ...wunderbar! ...aber ich schweife ab. eure geschichte, mein herr, hat sich herumgesprochen. und nicht nur auf den hafenämtern der welt. auch in den salons hat man eure handlungen diskutiert und ebenso an den höfen. aber ich erinnere euch gerne noch einmal, falls euer gedächtnis, euren taten unangemessen, das wesentliche mit dem unwesentlichem schon so vermischt haben sollte, dass ihr es selber nicht mehr wissen mögt. oder ward ihr nicht derjenige, der den befehl gab, abzudrehen und die segel zu streichen, als ihr mit euren männern vor wundubar lagt? überfallen hättet ihr sie sollen, die freien inseln, überfallen im namen des königs. und nichts dergleichen tatet ihr!"

"sire, das ist sicherlich wahr.....", bilder drängten sich dem capitano auf, bilder, die er lieber weiter unter verschluss gehalten hätte.

"der moment, der euch entscheiden liess, dieses volk zu sparen, diese menschen nicht zu versklaven, denn ja! was wäre es anderes gewesen als eine versklavung", giovanni lachte kurz und bitter, "dieser moment liess euch zu einem grossen mann werden, capitano!"

der capitano nickte langsam, "ach ja, genau, sir giovanni oder wie ihr euch nennt ....ein ganz grosser mann bin ich dadurch geworden! seht euch mal um bei mir, sieht diese küche so aus wie die küche eines grossen mannes? sehe ich aus wie ein grosser mann? man gibt mir keine schiffe mehr, ich bin in ungnade, es ist ein wunder, dass ich überhaupt noch lebe. wenn sich die schwester des königs nicht für mich eingesetzt hätte, aus einer merkwürdigen laune heraus, dann gäbs mich überhaupt nicht mehr. und ich will euch sagen, wie das passiert ist, damals vor wundubar. ganz einfach ist es passiert! ich konnte einfach nicht! ....die kanonen geladen, die gewehre angelegt....", dem capitano wurde schwindelig, gleichzeitig spürte er einen grossen zorn in sich aufsteigen. plötzlich sah er sie wieder, die bilder, die menschen von wundubar, wie sie über den strand liefen und fröhlich winkten, weil sie dachten, die schönen, grossen schiffe wären gekommen, um neuigkeiten und waren auszutauschen, er aber war gekommen, um...

"ich konnte einfach nicht. und ich will das nicht mit euch diskutieren!"

"das müsst ihr auch nicht, capitano, das müsst ihr nicht", giovanni lächelte wieder sein sanftes lächeln. "und ich bitte euch, hört mir noch ein bisschen weiter zu. der könig wird dieser tage wieder ein kriegsschiff aussenden in richtung wundubar. capitano ochsenfrosch wird es führen. ihr kennt capitano ochsenfrosch. er ist, in einem wort gesagt, ein schlächter. die menschen von wundubar müssen also so schnell wie möglich gewarnt werden. auf wundubar gibt es berge und höhlen, in die sie sich zurückziehen können. wir haben einen schnellen segler bereitgestellt, capitano. abfahrbereit im hafen. und wir möchten, dass ihr dieses schiff übernehmt und nach wundubar aufbrecht, die leute dort zu warnen. möglichst sofort."

"wer, wir? sire, für wen sprecht ihr eigentlich? ...wisst ihr eigentlich, was ihr da von mir verlangt!" die worte des fremden bedrängten den capitano, "für ein paar wilde soll ich mein leben, oder das, was davon noch übrig ist, aufs spiel setzen?"

"ich kann euch nicht sagen, wer ich bin, beim besten willen nicht. mein name darf in diesen zusammenhängen nicht genannt werden. ...glaubt mir doch einfach, capitano. dass die sache dringlichkeit erfordert, liegt auf der hand. und dass sie einen mann wie euch erfordert, liegt ebenso auf der hand. ...und wilde, sire, sind diese menschen nur wilde für euch? zugegeben, man mag sie natürlicher als wir es sind, nennen. und doch haben sie auf ihrer insel eine welt geschaffen, die der unseren, der zivilisierten, in vielerlei hinsicht überlegen ist. sie haben keinen könig, sie wählen jedes jahr ihre anführer und anführerinnen neu, männer und frauen haben die gleichen rechte, kinder werden geachtet. auf wundubar werden ideen umgesetzt, von denen wir hier nur träumen können. und diese ideen müssen geschützt werden! ...mein gott, ihr wisst das doch alles, capitano, ihr seid ein gebildeter mann, und ihr ward da, ihr habt es doch selber gesehen!"

der capitano schüttelte müde den kopf, zuviel wurden ihm die worte und das anliegen des fremden.

"ich werde es mir überlegen. kommt morgen wieder."

"so es morgen nicht zu spät ist", erwiderte giovanni und nahm seinen hut. als er schon fast zur tür hinaus war, wandte er sich noch einmal um, "capitano, sagt euch der name john locke etwas?"

Online for 8186 days
Last modified: 30.05.18, 23:40
Status
Sie sind nicht angemeldet
Main Menu
Suche
Calendar
November 2024
So.Mo.Di.Mi.Do.Fr.Sa.
12
3456789
10111213141516
17181920212223
24252627282930
Mai
Kommentare

RSS feed

Made with Antville
Helma Object Publisher